Ich heisse Kaspar by van Doorselaer Willy

Ich heisse Kaspar by van Doorselaer Willy

Autor:van Doorselaer, Willy [van Doorselaer, Willy]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


»Genau«, sagte Renske. »Das Nagelbild des Dr. Spencer. Du verstehst jetzt, worauf meine Mama hinauswollte. Aber ich besaß kein Nagelbild. Dann such dir einen anderen Träger für deinen Fluch, sagte Mama. Und plötzlich hatte ich eine großartige Idee, nicht wahr, Mama?«

Der Stuhl nickte wieder.

»Wirklich wahr, Kaspar, es war meine Idee, Pietje als Träger zu benutzen«, sagte Renske stolz.

»Du hast doch keine Nägel in Pietje geschlagen?« fragte ich entsetzt.

»Spinnst du?« sagte Renske. »Ein wandelndes Stecknadelkissen wäre doch zu auffällig gewesen. Auf Mamas Rat hin schickte ich den Fluch auf eine andere Art los. Ich setzte mich vor Pietje, preßte alle Willenskraft, die ich hatte, zu einem tödlichen Fluch zusammen und schrieb dann mit Kreide den Namen des Opfers auf Pietjes Panzer: Moslievau. Mama meinte, das würde reichen. Pietje würde den Fluch bestimmt zu Moslievau bringen.«

Bis dahin hatte ich Renske nicht mit kritischen Fragen unterbrechen wollen, nun konnte ich mich aber nicht mehr zurückhalten.

»Wann war das denn?« fragte ich.

»Im Januar.«

»Aber... also, Moslievau ist erst letzten Samstag beerdigt worden. Und jetzt haben wir November.«

Sie sollte mir jetzt bloß nicht damit kommen, daß dieser Zeitunterschied lediglich auf die Trägheit einer Schildkröte zurückzuführen sei.

»Warte doch«, sagte Renske. »Ich hatte noch keine Erfahrung mit diesen Dingen, deshalb machte ich ein paar Fehler. Man muß Lehrgeld bezahlen. Ich hatte zum Beispiel nicht an die Mauer um den Garten gedacht. Es dauerte einige Tage, bis ich merkte, daß Pietje nicht drüberkam. Ich löste heimlich einen Ziegel aus der Mauer und setzte Pietje direkt vor das Loch. Er zögerte nicht und kroch hinaus.

Ein paar Wochen lang sah ich ihn nirgends, aber das machte mir keine Sorgen. Er mußte nicht nur die Strecke bis zu Moslievaus Haus zurücklegen, sondern auch wieder heimkommen. Das ist eine schwere Aufgabe für eine Schildkröte. Was mich viel mehr beunruhigte, war, daß ich Moslievau noch immer quietschvergnügt und gesund vorm Schultor stehen sah.

Eines Tages stand der Milchmann vor der Tür, mit Pietje in der Hand. Ob das unsere Schildkröte sei, fragte er. Pietje war auf halber Strecke im Gemüsegarten des Apothekers hängengeblieben. Der Apotheker hatte ihn dem Milchmann gegeben.

Pietje sah todmüde aus. Er hatte mehr Runzeln als früher an seinem kleinen Kopf. Unvorstellbar traurig schaute er mich an. Der Arme war einfach erschöpft. Ich nahm mir vor, ihn eine Woche lang mit Kraftfutter zu verwöhnen, bevor ich ihn wieder in den Kampf schicken würde. Ich stellte einen Teller unter die Bank im Obstgarten und sorgte dafür, daß immer leckere Häppchen auf dem Teller lagen. Eines Tages probierte ich es auch mit Salami, und die war eine Stunde später schon aufgefressen. Ich hatte nicht gewußt, daß Schildkröten auch Fleisch fressen, aber ich freute mich darüber. Wenn ich ihm genügend Fleisch gab, würde er schnell wieder stark sein.«

Als Renske das sagte, ging mir ein Licht auf. Die Dose mit dem König fiel mir ein.

»Genau«, sagte Renske. »Ich hatte schon so oft gesehen, wie du Fleisch für den Kater des Lebensmittelhändlers hingestellt hast. Von dem Moment an gab ich es Pietje. Ich bin sicher, daß du mir das nicht übelnimmst.



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